Ich habe Urlaub!
Weiß das mein Stress auch?
Es riecht nach Sonnencreme und Aufbruch. Der Koffer ist gepackt. Im Kalender steht für die nächsten Tage nur ein Wort: „Urlaub“. Frei – zumindest behauptet das der Kalender.
Und doch pulsiert da noch etwas, fast unsichtbar, in meinem Kopf. Ein Ziehen, ein „Nicht-vergessen, nicht-abschalten, nicht-loslassen“. Es fährt einfach mit – angeschnallt wie ein unsichtbarer Passagier.
Im Handschuhfach, zwischen Kaugummi und alten Quittungen, macht sich mein Stress ganz heimlich breit. Na gut, dann ist er eben auch dabei.
Die Landschaft zieht vorbei, Wolken bauen Türme am Himmel, die Kinder zählen Kühe. Ich zähle Gedanken.
Habe ich wirklich nur das Nötigste dabei? Oder hat mein Alltag wieder klammheimlich seinen Platz im Gepäck gefunden?
Darf ich einfach sein, wenn ich mal nichts tue, nichts leiste, wenn niemand einen Plan für mich hat?
Am ersten Morgen im Ferienhaus weckt mich das Zwitschern, nicht der Wecker. Es dauert, bis mein Körper das glauben kann.
Die Hand tastet nach dem Handy, sucht nach Nachrichten, nach Aufgaben – nach irgendetwas Vertrautem. Doch das Einzige, was da ist, ist Stille.
Und darin meldet sich eine Stimme, die ich so gut kenne: „Beeil dich. Nutze die Zeit. Mach was draus.“
Na klar, denke ich, sogar die innere Stimme ist mitgereist. Ich gehe ans Meer. Der Sand ist kühl, die Brandung rhythmisch wie ein leiser Herzschlag. Für einen Moment schließe ich die Augen.
Was, wenn ich einfach hier bin? Ohne To-Do, ohne Eile, ohne Ziel? Da ist er, dieser kleine Augenblick, in dem alles weit wird.
Und dann kommt sie zurück, meine Unruhe – leise, aber treu. Sie setzt sich einfach neben mich in den Sand. Wir schweigen zusammen.
Vielleicht, denke ich, kann auch der Stress lernen, Urlaub zu machen. Aber nur, wenn ich ihn lasse. Vielleicht darf er sogar mit, ohne dauernd den Ton anzugeben.
Vielleicht ist Urlaub gar nicht der Ort, wo plötzlich alles anders wird, sondern der Moment, in dem ich beginne, wirklich zuzuhören – auch diesem Teil in mir, der nie zur Ruhe kommt: „Beeil dich, sonst verpasst du etwas.“
Und irgendwann, ganz leise, spüre ich: Das Einzige, was ich wirklich verpassen kann, bin ich selbst.
Ich weiß nicht, wie lange ich so am Meer sitze, nur, dass die Zeit plötzlich ein anderes Maß bekommt. Und dass ich langsam begreife: Der Weg nach innen ist manchmal weiter als bis ans Meer.